18. Dezember 2015
Schwarzbuch Börse 2015: Spielverderber Staat!
Das Schwarzbuch Börse 2015 ist als Bestandteil der Sonderausgabe „AnlegerLand 2016“ erschienen und kann bei der SdK kostenpflichtig bestellt werden, SdK Mitglieder lesen das Magazin kostenfrei. Neben zahlreichen Einzelfällen befasst sich das Schwarzbuch Börse 2015 mit folgenden Themen:
- Griechenland und China vermiesen die Börsenstimmung
- Mittelstandsanleihen: kuriose Fälle 2015
- Versorgeraktien im „staatlichen“ Stresstest
- Dieselgate: das deutsche Deepwater Horizon?
- Hypo Alpe Adria oder Gläubigerschutz wird zur Farce
München, 18.12.2015 - Das diesjährige Schwarzbuch Börse der SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e. V. befasst sich mit den Skandalen, Missständen und Pleiten rund um das Börsengeschehen im Jahr 2015. Es führt den „Börsianern“ noch einmal nachdrücklich vor Augen, wie Gesetzgeber, Großaktionäre und Management teilweise in kongenialer Verbundenheit zu Lasten des Privatanlegers agieren.
Das Börsenjahr 2015
Eine weltweite Notenbank-Geldschwemme, Zinsen auf niedrigstem Niveau, eine weiterhin robuste US-Wirtschaft, die sich langsame erholende Konjunktur in Europa sowie die Sorge um die globalen Auswirkungen eines rapiden Abschwungs der chinesischen Volkswirtschaft bildeten den makroökonomischen Rahmen für die Entwicklungen an den Finanzmärkten im Jahr 2015.
In diesem Umfeld rücken renditeträchtigere Anlageformen wie Aktien, Fonds und Anleihen immer stärker in den Vordergrund. Gleichzeitig steigt in diesem Umfeld aber auch die Gefahr der Übervorteilung von Privatanlegern in den unterschiedlichsten Szenarien. Umso mehr sieht sich die SdK in der Pflicht, die Rechte von Anlegern wahrzunehmen und auf negative Trends am Kapitalmarkt hinzuweisen, so wie sie dies regelmäßig im Schwarzbuch Börse macht.
Wenn die Politik die Börse beeinflusst
Das Börsenjahr 2015 war u. a. auch davon gekennzeichnet, dass politische Einflussnahme an den Finanzmärkten Kurskapriolen zu Lasten der Anleger auslöste. Mit einer Hinhaltetaktik versuchte die neugewählte griechische Regierung von Alexis Tsipras im Sommer 2015, ihre Verhandlungsposition gegenüber der Europäischen Kommission um neue Hilfskredite zu stärken. Leidtragende waren die Besitzer griechischer Staatsanleihen und die Sparer: Die Banken wurden vorübergehend geschlossen und der Handel mit griechischen Wertpapieren war bis Anfang August ausgesetzt. Die Schuldtitel stiegen nach Wiederaufnahme des Handels auf neue Jahreshochs. Der griechische Aktienmarkt hingegen brach weiter ein und erreichte Ende August den tiefsten Stand seit Mitte 2012.
In China war der Shanghai-A-Index von Mitte 2014 bis Mitte 2015 um 150 % gestiegen. Einen maßgeblichen Einfluss daran hatte die Regierung in Peking, die den heimischen Sparern das Spekulieren auf Kredit erleichterte und zugleich ausländischen Investoren den Zugang zum Aktienmarkt in Shanghai öffnete.
Die Blase platzte, als die Zentralbank die extrem lockeren Regeln für Wertpapierkredite wieder verschärfte. Von Mitte Juni an verlor der Shanghai-A-Index in nur drei Wochen ein Drittel an Wert. Peking reagierte und untersagte Großaktionären und Managern börsennotierter Unternehmen, ihre Aktien für einen Zeitraum von sechs Monaten zu verkaufen. Im Gegenzug sollten Staatsfirmen Aktien zurückkaufen und die staatlichen Pensionsfonds die Aktienquoten erhöhen.
Der Versuch, über staatliche Verordnungen die Börsenkurse zu stabilisieren, schlug jedoch fehl: Mitte August löste die weltweit zunehmende Sorge um einen Einbruch die zweite Ausverkaufswelle aus, von der dieses Mal auch die internationalen Märkte erfasst wurden.
Die mangelnde Transparenz der chinesischen Politik hinsichtlich des wahren Zustands der heimischen Wirtschaft wird auch im Börsenjahr 2016 zu den größten Unsicherheitsfaktoren an den Weltbörsen zählen.
Dieselgate und Hypo Alpe Adria
Anders als im Jahr zuvor standen 2015 wieder einige DAX-Konzerne als Wertvernichter im Mittelpunkt. Die Diskussion um neue Rekordverluste und die weiter sinkende Bonität sorgten für einen weiteren Kursverfall bei den Versorgern E.ON und RWE. Für die größten Vermögensverluste für Anleger sorgte jedoch Volkswagen mit dem Eingeständnis, die Abgaswerte seiner Dieselmotoren manipuliert zu haben. Am 21. September verlor der Autokonzern ein Drittel seines Börsenwerts. Der Sippenhaft-Effekt verursachte auch zweistellige Kurseinbrüche bei den anderen Autokonzernen im DAX sowie den zahlreichen Zulieferern in MDAX und SDAX. Analysten beziffern die Gesamtkosten aus den drohenden Gerichtsverfahren auf 30 bis 45 Mrd. Euro. Noch offen ist dabei eine vermutete Schadensersatzpflicht gegenüber Anlegern, da Volkswagen aus Sicht vieler Anwälte und der SdK den Kapitalmarkt möglicherweise zu spät über die Manipulationen informierte.
Massiver finanzieller Schaden droht auch den Gläubigern der Hypo Alpe Adria. Die Beinahepleite der Kärntner Landesbank während der Finanzkrise ging als größter Finanzskandal Österreichs in die Geschichte ein. Um die drohende Insolvenz abzuwenden, hatte die Regierung in Wien das Finanzinstitut im Dezember 2009 verstaatlicht und 2014 endgültig zerschlagen. Jetzt kämpfen die Gläubiger mit rechtlichen Schritten gegen ihre Enteignung durch fragwürdige gesetzliche Maßnahmen. Um alle Geldgeber an der Rettung zu beteiligen, hat die österreichische Staatsregierung Auszahlungen an Anleihegläubiger per Gesetz außer Kraft gesetzt. Damit sollen die Milliardenkosten für die Sanierung der Krisenbank von den Steuerzahlern auch auf Gläubiger umgeleitet werden, deren Anleihen vom Bundesland Kärnten garantiert waren.
Mittelstandsanleihen und Rohrkrepierer aus China
Die SdK hatte in den vergangenen Jahren Anleger wiederholt vor der mangelnden Informationspolitik und Kapitalmarktreife zahlreicher mittelständischer Unternehmen gewarnt, die Anleihen mit niedriger Bonität zu vermeintlich günstigen Konditionen begeben hatten.
Neben dem Risiko eines Zahlungsausfalls wegen finanzieller Schieflage droht Anlegern hier Schaden durch juristische Winkelzüge einzelner Emittenten: Ein Beispiel, wie sich Gerichte einzelner europäischer Länder über gesetzliche Regelungen hinwegsetzen, ist der Autoteile- und Werkstattbetreiber ATU. Obwohl die Rückzahlung einer Anleihe 2014 fällig war, wurde sie ohne Begründung aus den Anlegerdepots ausgebucht. Später erfuhren die Privatanleger dann, dass die ihnen zustehenden Rechte durch ein dem Insolvenzverfahren ähnliches Verfahren nach englischem Recht ausgehebelt und sie ungefragt um eine Insolvenzquote gebracht wurden. Andere Gläubigergruppen, die eine andere Anleihe gezeichnet hatten, erhielten dagegen im Gegenzug für einen Rückzahlungsverzicht u. a. Eigenkapital am bilanziell „restrukturierten“ Unternehmen. Dass es sich bei diesen Gläubigern um große institutionelle Investoren handelt, dürfte kaum mehr jemanden verwundern. Ein Skandal und es gab 2015 im Mittelstandssegment noch einige andere!
Auch bei den in Deutschland börsengelisteten chinesischen Firmen, die seit geraumer Zeit ständiger Gast im Schwarzbuch Börse sind, reißt die Pleiteserie nicht ab. Kam der Insolvenzantrag von Asian Bamboo im Mai infolge der sich bereits abzeichnenden finanziellen Schieflage nicht mehr überraschend, wurden die Investoren bei Joyou kalt erwischt. Der Hersteller von Armaturen für Bad und Küche sowie Produkten für den häuslichen Sanitärbedarf galt als chinesisches Vorzeigeunternehmen. Am 27. April 2015 berichtete Joyou von der Notwendigkeit zur Überprüfung einiger Geschäftsvorfälle bei Tochtergesellschaften. Im Rahmen einer Sonderuntersuchung sollte auch geklärt werden, ob die Finanz- und Ertragslage in der Vergangenheit korrekt dargestellt wurde. Bereits am 21. Mai musste der Vorstand aufgrund der bestehenden Überschuldung einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellen. Der Handel mit der auf Pennystock-Niveau gefallenen Aktie wurde im Juni ausgesetzt.
Celesio: Wie Anteilseigner ausgebootet werden
Ein gutes Beispiel, wie Aktionären ein Investment madig gemacht werden kann, bietet der folgende Fall: Im Mittelpunkt des Schmierentheaters „Aktionärs-Mobbing“ das frühere MDAX-Unternehmen Celesio und der US-Pharmahändler McKesson. McKesson hatte bis 2014 über ein Tochterunternehmen von Großaktionär Haniel und anderen Anteilseignern knappüber 75 % der Aktien von Celesio für 30 Euro je Aktie erworben. Bei Streubesitzaktionären von Celesio zeigt sich McKesson weniger spendabel. Diesen bietet er im Rahmen eines Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertragesnur eine Abfindung in Höhe von 22,99 Euro je Aktie. Beim Streubesitz, der immerhin noch rund 1 Mrd. Euro an Celesio hält, fand dies nur geringen Anklang und so begann der neue Großaktionär mit seiner Zermürbungstaktik: Zunächst wurden die IR-Aktivitäten heruntergefahren. Am 11. März 2015 wurde ein Delisting-Beschluss gefasst, seit Oktober ist die Aktie nur noch im Freiverkehr handelbar. Fallen Aktienkurse und Handelsvolumina sind die schlimme Folge für die verbliebenen Privatanleger.
Und wieder zahlreiche Einzelfälle
Aber Celesio ist im aktuellen Schwarzbuch Börse nicht alleine. Alphaform, Neschen, PNE Wind, Tesco oder IFA Hotel & Touristik – die Liste der Unternehmen, die in unterschiedlichster Form gegen Anlegerinteressen verstoßen haben, ist auch in diesem Jahr wieder lang. Die Vergehen reichen von intransparenter Geschäftsführung und Ermittlungen wegen Bilanzfälschung über fragwürdige Vorgehensweisen bei Delistings bis zu rechtlichen Auseinandersetzungen um Kapitalmaßnahmen, deren Nutznießer nur bestimmte Aktionärsgruppen sind. Bei MAGIX wollte sich der Aufsichtsrat dem Delisting-Diktat der Großaktionäre nicht beugen und trat 2014 geschlossen zurück. In der Konsequenz besetzten die Großaktionäre dann aber den kompletten AR mit eigenen „Vasallen“, die wiederum dem Vorstand 2015 zu einer neuen Gehaltsregelung verhalfen.
Die Aktionäre von IFA Hotel & Touristik werden vom Großaktionär ebenfalls übervorteilt. Der spanische Touristikkonzern Lopesan hält 53% der Anteile und beherrscht faktisch das Unternehmen, ohne Kompensationen an Mitaktionäre zu entrichten. Bei der im November 2014 von der Hauptversammlung beschlossenen Kapitalerhöhung lagen sowohl Buchwert wie auch Börsenkursder Aktie vor der Kapitalerhöhung deutlich überdem Bezugspreis der jungen Aktien von 4,76 Euro. AlleAktionäre, die nicht voll mitziehen konnten, wurden enorm verwässert. Ein Hotelkauf, den die Kapitalmaßnahme finanzieren sollte, wurde ohne Angabe von Gründen nicht durchgeführt. Stattdessen wurde trotz heftiger Proteste der Anleger ein Hotel gekauft, das Lopesan gehörte.
Daniel Bauer, Vorstand der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V., kommentierte die im Schwarzbuch Börse 2015 beschriebenen Trends und Einzelfälle: „Wir begrüßen es, dass Fälle wie der Milliardenskandal um den Windpark-Finanzierer Prokon, den die SdK angeprangert hat, dazu führen, dass die Politik erste Schritte eingeleitet hat, um die Rechte und Interessen der Privatanleger besser zu schützen. In der Praxis muss aber genau diese Anlegergruppe weiter besonders darauf achten, nicht übervorteilt zu werden. Das gilt vor allem im Hinblick auf finanzielle Transaktionen wie Kapitalerhöhungen oder Delistings. Als Anlegerschützer sehen wir uns verpflichtet, über unsere Berichterstattung und Öffentlichkeitsarbeit für eine bessere Informationspolitik der Unternehmen im Sinne von echter Corporate Governance zu kämpfen.“
Das Schwarzbuch Börse kann hier heruntergeladen oder als Printexemplar bestellt werden.
München, 18.12.2015
Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V.
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