Aktuelle Meldungen der SdK

16. Dezember 2016

Schwarzbuch Börse 2016: Mehr Transparenz bleibt Wunschdenken

 

Das Schwarzbuch Börse 2016 ist als Bestandteil der Sonderausgabe „AnlegerLand 2017“ erschienen und kann bei der SdK bestellt oder heruntergeladen werden. Das Schwarzbuch Börse befasst sich mit den großen und kleinen Skandalen, Betrügereien und Abzockereien am Kapitalmarkt. In diesem Jahr liegen die Schwerpunkte neben einer Vielzahl ausgewählter Einzelfälle auf folgenden Themen:


• Pleitewelle bei Mittelstandsanleihen nimmt neue Ausmaße an
• Wie europäische Krisenbanken Vertrauen verspielen
• Politischer Lobbyismus gegen Anlegerinteressen: das Beispiel ExxonMobil
• Betrugsfälle und Delistings durch die Hintertür


München, 16.12.2016 – Das Schwarzbuch Börse 2016 der SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V. befasst sich mit den Skandalen, Missständen und Pleiten rund um das Börsengeschehen im Jahr 2016. Es benennt einzelne Unternehmen und kommentiert allgemeine negative Entwicklungen am Gesamtmarkt im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf die Vermögensanlage von Anlegern. Zugleich dokumentieren die von der SdK im Schwarzbuch Börse 2016 dokumentierten Fälle, dass Aktionäre sich gegen den Wertverlust ihrer Investments durch zweifelhafte und schädliche Unternehmenspolitik zur Wehr setzen müssen, indem sie Missstände publik machen. „Wer aktiv seine Interessen wahrnimmt, kann seine Vermögensinteressen am besten schützen“, zieht Daniel Bauer, Vorstandsvorsitzender der SdK e.V., am Ende seiner einleitenden Worte zum diesjährigen Schwarzbuch Börse Bilanz.


Millionengrab Mittelstandsanleihen


Besonders ernüchternd fällt die Bilanz des Börsenjahrs 2016 bei den Mittelstandsanleihen aus. Mit Stand Beginn des vierten Quartals 2016 sind im Segment der Mittelstandsanleihen bereits 45 der 220 Emissionen ausgefallen, die seit 2010 auf den Markt kamen. Nach Erhebung von Euler Hermes Rating im August 2016 liegt dabei die Ausfallquote bei den Investment-Grade-Anleihen bei 40 %, bei den mit einem schlechteren Rating versehenen High-Yield-, also den hochverzinsten Anleihen mit hohem Ausfallrisiko, nur bei 15 %.


Diese regelrechte Insolvenzwelle trifft in Deutschland vor allem die Segmente Mode, Regenerative Energien und Finanzdienstleistungen. Der breiteren Öffentlichkeit bekannt sind die Modefirmen Steilmann, Rudolf Wöhrl und Laurèl oder die Firma German Pellets. Experten erwarten mittlerweile Ausfallquoten von 50 % im Mittelstandssegment, die SdK selbst befürchtet 75 % und mehr. Für Anleger bedeutet das, eine präzise Risikoprüfung potenzieller Investments durchzuführen. Das gilt umso mehr, da viele Medien und Fachmedien teilweise unkritisch und undifferenziert über Neuemissionen berichteten.


Im Fall German Pellets haben 17.000 Privatanleger seit 2008 über 270 Mio. Euro in Genussrechte und Anleihen der Gesellschaft investiert. Der eigentliche Skandal bei German Pellets ist, dass Firmengründer Peter Leibold die Anleihegelder vor allem dazu verwendete, nahestehenden Firmen, darunter einer österreichischen Stiftung sowie sich selbst und seiner Frau, Darlehen zu gewähren, anstatt die Gelder direkt in den Pellets-Markt zu investieren.


Für den in der Summe größten Verlust im Mittelstandssegment ist die KTG-Gruppe verantwortlich. In den Bankrott geführt hat die Gruppe der Vorstandschef des Agrarkonzerns Siegfried Hofreiter, der bereits 2002 wegen Insolvenzverschleppung rechtskräftig verurteilt worden war. Weil die stillen Reserven weitgehend aufgezehrt waren, konnte die KTG Agrar ihre im Juli 2017 fällige Anleihe mit einem Volumen von 250 Mio. Euro nicht mehr bedienen. Die Verbindlichkeiten waren 2015 bei 327 Mio. Euro Umsatz und 3,7 Mio. Euro Periodenergebnis auf 606 Mio. Euro gestiegen. Nach Einschätzung der Insolvenzverwalter werden die Anleiheinhaber auch in diesem Fall leer ausgehen.


Erfolgreicher war das Vorgehen einer Gruppe von Anleihegläubigern gegenüber der Scholz Holding GmbH. Die Recyclingfirma hatte sich im Jahr 2012 mit einer Anleihe im Volumen von 182,5 Mio. Euro frische Liquidität beschafft. Als Anfang 2016 die Insolvenz drohte, versuchte das Management durch eine Flucht nach England englisches Recht für sich in Anspruch zu nehmen, um gegenüber den Gläubigern einen maximalen Sanierungsbeitrag zu erzielen. Die Bestellung einer Kuratorin der Anleiheinhaber führte jedoch dazu, dass diese am Ende wenigstens eine Zahlung von fast 11 % des ursprünglichen Nennwertes zugesprochen bekamen.


Banken im Krisenmodus


Während die Kreditinstitute in den USA, wo die Bankenkrise mit der Lehman-Pleite 2008 ihren Anfang nahm, wieder Geld verdienen, hält die Krise des europäischen Bankensektors an. Durch die dauerhafte Niedrigzinspolitik schrumpfen die Erträge, dazu kommt die Konkurrenz durch Fintechs, die digitale Dienstleistungen kostengünstiger anbieten. Einige Banken befinden sich durch faule Kredite und drohende Zahlungen in schweren Turbulenzen. In Italien durchläuft die Monte dei Paschi di Siena ihre größte Existenzkrise seit ihrer Gründung im Jahr 1472. Die weltweit älteste und drittgrößte italienische Bank ist dringend auf neue Finanzhilfe angewiesen, welche ihr vom italienischen Staat nicht gewährt wird. Staatliche Hilfskredite und eine drei Milliarden Euro schwere Kapitalerhöhung, die nach dem Stresstest der Europäischen Zentralbank 2014 eingesetzt wurden, sind mittlerweile verpufft. An der Börse ist die Aktie zu einem Objekt der Shortseller degradiert.


In Deutschland steht die Deutsche Bank für fragwürdige Geschäftspraktiken und Wertvernichtung für Aktionäre. Wegen Vergehen wie Zinsmanipulationen, Geldwäsche und dem Verkauf von US-Hypothekenkrediten niedriger Bonität steht in den USA ein Bußgeld in Höhe von 14 Mrd. US-Dollar im Raum. Die Deutsche Bank hat nach eigenen Angaben 5,9 Mrd. Euro an Rückstellungen für diesen Rechtsstreit gebildet und hat nach unbestätigten Berichten das Strafmaß auf 5,4 Mrd. Euro gedrückt. Laut Vorstandschef John Cryan sollen die wichtigsten Fälle wie Ermittlungen wegen des Verdachts auf Geldwäsche und Sanktionsverstößen bei Geschäften in Russland noch 2016 abgeschlossen werden. Den Preis zahlen Mitarbeiter und Aktionäre. Bis Ende 2017 sollen in Deutschland etwa 200 der 700 Filialen geschlossen werden. Die Aktie notiert aktuell bei 17 Euro und damit wieder mehr als 70 % über dem Jahrestief vom September, aber immer noch 20 % niedriger als zum Jahresbeginn. Seit Beginn der Finanzkrise hat sie 85 % an Wert verloren.


Ein Ölmulti als Aktionärs- und Ökoschreck


Der Ölkonzern ExxonMobil stand zuletzt in der Kritik von Aktionären und im Konflikt mit dem Gesetz. Bei der Bonität hat er das Triple-A-Rating verloren, eine Dividende wird nicht mehr verdient. Zugleich ermittelt die Staatsanwaltschaft in Kalifornien und New York wegen Falschinformation und Finanzbetrug. Konkret geht es darum, dass sich Exxon gegen die Forderungen nach Information der Anleger und auch der Öffentlichkeit zu Carbon-Risiken sperrt. Seit Mitte der 80er-Jahre versucht Exxon, mit erheblichem Aufwand die Klimaforschung zu diskreditieren. Die Ernennung von Exxon-Vorstandschef Rex Tillerson zum neuen US-Außenminister durch Donald Trump lässt befürchten, dass sich die Umweltpolitik der künftigen US-Regierung ganz im Sinne des Ölmultis entwickeln wird.


Und wieder zahlreiche Einzelfälle


Die Einzelfälle, in denen Anlegervermögen durch inkompetentes Management und fragwürdige Vorgehensweisen der Firmenvorstände bei Aktionärsversammlungen vernichtet wurde, sind auch in diesem Jahr wieder zahlreich und können im aktuellen Schwarzbuch Börse verfolgt werden. An dieser Stelle erwähnt seien zwei Beispiele. Beim Buchverlag Bastei Lübbe wurde der Verkauf von Beteiligungen zu mehr als ihrem Buchwert an die britische Firma Blue Skye als Gewinn ausgewiesen. Erst nach kritischen Presseberichten stellten die Wirtschaftsprüfer fest, dass Bastei Lübbe seit Ende März 2015 die Verfügungsgewalt über Blue Skye besitze und diese ebenso wie die beiden Beteiligungen rückwirkend voll konsolidieren und zu Anschaffungskosten bewerten müsse. Die Folge war ein um mehr als 7 Mio. Euro niedrigeres Konzernergebnis in Geschäftsjahren 2014/15 und 2015/16. Der gesamte Aufsichtsrat, der zuvor bereits im Juli überraschend zurückgetreten war, wurde auf der Hauptversammlung am 30. November durch neugewählte Mitglieder ersetzt.


Mit der KWG Kommunales Wohnen enthält das diesjährige Schwarzbuch einen besonders erwähnenswerten Delisting-Fall aus dem Entry Standard. Auf der außerordentlichen Hauptversammlung am 7. Oktober wurde mit den Stimmen des Großaktionärs die Umwandlung in eine GmbH beschlossen. Die Höhe der Barabfindung war von der Gesellschaft selbst ermittelt worden, da kein geprüfter Halbjahresabschluss vorlag. Die KWG weigerte sich zudem, den Prüfbericht vor der Hauptversammlung zu veröffentlichen, und war auf dem Aktionärstreffen trotz zahlreicher Anträge der Anleger nicht bereit, die Unterlagen an die Eigentümer zur Mitnahme auszuhändigen.


Der SdK Vorstandsvorsitzende Daniel Bauer kommentierte die im Schwarzbuch Börse 2016 beschriebenen Trends und Einzelfälle: „In Deutschland stellten die Pleiten bei den Mittelstandsanleihen alle weiteren Einzelfälle des Börsenjahres 2016 in den Schatten. Neben der Unterstützung von Aktionären in ihren Anliegen gegenüber einzelnen Firmen wird die SdK in ihrer Öffentlichkeitsarbeit weiter darauf hinarbeiten, dass sich die rechtlichen Grundlagen für besseren Anlegerschutz verbessern. Das gilt vor allem im Hinblick auf finanzielle Transaktionen wie Kapitalerhöhungen oder Delistings. Grundsätzlich gilt am Kapitalmarkt jedoch: Nur wer aktiv seine Interessen wahrnimmt, kann seine Vermögensinteressen am besten schützen.“

 

Das Schwarzbuch Börse kann hier heruntergeladen oder als Printexemplar bestellt werden.

 

München, 16.12.2016
Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V.




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